Fototipp: RAW oder JPEG mit Reto Wahli
Kamera Dateiformate RAW oder JPEG, beides, oder HEIF?Kamera Dateiformate
RAW oder JPEG, beides, oder HEIF?
Wenn man die Kameradateiformate mit Mahlzeiten vergleichen würde, könnte man sagen – RAW Daten sind mit frischen Lebensmitteln und feinen Kräutern zubereitete Speisen, während JPEG Dateien eher wie aufgewärmte Fertigmenüs schmecken. Durch Nachwürzen und liebevolles Anrichten kann man sie zwar noch etwas verbessern, sie erreichen aber nie das Niveau der frisch gekochten Speisen.
Digitalkameras zeichnen Aufnahmen immer als Rohdaten auf dem Bildsensor auf. Dabei verwenden die meisten Kamerahersteller die Bayer Matrix, Fujifilm die X-Trans Matrix und Sigma die Foveon Matrix
Hast du an deiner Kamera JPEG als Dateiformat eingestellt, werden die rohen Daten beim Auslesen vom Bildsensor durch einen Bildprozessor geschickt, der diese nach deinen Kameraeinstellungen (Kontrast, Farbsättigung, Weissabgleich, Pixelzahl, Kompression etc.) bearbeitet und dann auf der Speicherkarte gespeichert. JPEG Dateien sind fertige Dateien, können also z.B. direkt ab Kamera gedruckt oder auf Social Media gepostet werden.
Hast du RAW eingestellt, findet keine Bearbeitung der Daten durch den Bildprozessor statt und die Daten werden, zusammen mit den Kameraeinstellungen, unkomprimiert auf die Speicherkarte geschrieben. Diese Daten sehen, im Vergleich mit den bereits bearbeiteten JPEG Dateien, relativ flau aus, enthalten aber mehr Farb- und Helligkeitsinformationen (bis zu 250x mehr!). RAW Daten müssen in jedem Fall erst mit einem sogenannten RAW Konverter Programm (z.B. CaptureOne, Lightroom Classic, DxO PhotoLab, Luminar etc.) bearbeitet (entwickelt) werden. Durch das Mehr an Bildinformation in der RAW Datei kann man, bei richtiger Bearbeitung, qualitativ bessere Endresultate erreichen als mit JPEGs.
Neben der Tatsache, dass RAW Dateien, durch das Nichtkomprimieren und das zusätzlich eingespeicherte Übersichtsbild, vielmehr Platz auf der Speicherkarte belegen als JPEGs, und zwingend bearbeitet werden müssen, gibt es noch weitere Nachteile. Durch die ständige Weiterentwicklung der Kameraelektronik (und damit auch des RAW Formates, auch innerhalb einer Produktlinie von z.B. Sony, Canon oder Nikon) besteht die Gefahr, dass man die aktuellen RAW Dateien in Zukunft mit den dann verfügbaren Programmen nicht mehr öffnen kann. Aus diesem (und auch aus marketingtechnischem) Grund hat Adobe das DNG (digitales negativ Format) entwickelt, das garantieren soll, dass dieses Szenario nicht eintritt.
Dateiendungen von RAW Dateien verschiedener Kamerahersteller:
Adobe Digital Negativ | .dng | Panasonic | .raw, .rw2 |
Canon | .cr2, .cr3 | Pentax | .pef, .dng |
Fujifilm | .raf | Phase One | .llq |
Leica Camera | .3fr, fff | Samsung | .srw, .dng |
Nikon | .raw, .dng, .rwl | Sigma | .x3f, .dng |
Olympus (OM System) | .orf | Sony | .arw |
Da die Hersteller die Spezifikationen der neuen RAW Formate nicht immer zeitnah und vollständig offenlegen, kann es bei neuen Kameramodellen einige Zeit dauern, bis die Hersteller der Bildbearbeitungssoftware, die Unterstützung für das jeweilige Format in ihren Produkten integriert haben. Jeder Hersteller von RAW fähigen Kameras liefert auch eigene sogenannte RAW Konverter Software mit der Kamera mit – nur beachten das die wenigsten Fotografen und die Adobe Produkte sind heute der Industriestandard.
Seit einigen Jahren gibt es ein weiteres Dateiformat, dass ein paar Kamerahersteller bei einigen Kameramodellen zur Verfügung stellen. Das HEIF (high efficiency image file format), manchmal auch HEIC (auf den Video codec bezugnehmend). Es kombiniert die Vorteile von RAW und JPEG – 10 Bit Farbtiefe und eine effizientere und trotzdem verlustfreie Komprimierung. Auch wenn Apple dieses Format als erster Hersteller in ihren iPhones implementiert hat (ab IOS 11), ist sie nicht die Erfinderin dieses Formats. Das Format basiert auf dem Video Codec HEVC (auch bekannt als H.265) und ist eine Erfindung von MPEG (moving picture expert group). Inzwischen beherrschen auch Android und Windows dieses Format.
Fazit: Trotz aller Schwächen von JPEG wird dieses Format noch eine ganze Weile überstehen, weil diese Schwächen eben gar nicht so schlimm sind. Die verlustbehaftete Komprimierung wird erst ab einer hohen Komprimierungsrate, wie sie Digitalkameras nie verwenden, oder bei mehrfachem Überschreiben aus einem Bildbearbeitungsprogramm sichtbar. Die höheren Farbtiefen von 10 bis 16 Bit sind zwar für die Verarbeitung der Fotos ein grosser Vorteil, für das menschliche Auge grösstenteils aber nicht zu erkennen. JEPG hat sich in der Vergangenheit sowohl gegenüber den technisch eindeutig überlegenen JPEG XR als auch JPEG2000 durchgesetzt. Ich persönlich wähle JPEG wenn es schnell gehen muss und RAW wenn ich maximale Qualität erreichen will. Dies allerdings setzt einen konsequent farbkalibrierten Arbeitsablauf von der Kamera über den Monitor bis zum Drucker voraus. RAW und JPEG gleichzeitig zu speichern halte ich für problematisch, da es in der Weiterverarbeitung häufig zu Verwechslungen der Dateien kommt.
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